Recherchegruppe Bayern

Der Bayerische Journalisten-Verband steckt in der größten Krise seiner Geschichte. Es fehlen die Erfolge bei Tarifverhandlungen und die Serviceleistungen für die Mitglieder sind dürftig. Obwohl es reichlich Verbesserungsvorschläge gibt, geht es mehr um Pöstchen und Machtstrukturen, als um einen lebendigen Verband.

12 April 2005

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Noch mehr Zensur

aus copy.blog

Nachfolgend abgelegter Artikel hätte vergangenes Jahr im verbandsinternen Organ "Der Journalist" erscheinen sollen. Der geschäftsführende Landesvorstand Dr. Wolfgang Stöckel hatte die ehrenamtlichen Mitglieder im Anschluß an die Klausurtagung sogar ausdrücklich darum gebeten, ihre Positionen schriftlich und ausführlicher zu fassen, damit andere Verbandsmitglieder die Möglichkeit hätten, diese nachzuvollziehen und mitzudiskutieren. Der unten folgende Artikel wurde jedoch mit folgender Begründung abgelehnt:

[...] als Herausgeber des bjv-reports habe ich nach reiflicher Überlegung entschieden, Ihren Beitrag über die Klausurtagung in Feldafing nicht zu veröffentlichen. Ihre Ausführungen unter dem Titel "Solidarität im Verband" sind eine einzige Kommentierung. Sachliche und somit hilfreiche Informationen, die für all unsere Mitglieder und Leser interessant sein könnten - und damit nicht nur für die Insider, die dabei waren - fehlen aus meiner Sicht völlig.

Dann schreibt der Verfasser weiter:

Noch eines möchte ich als verantwortlicher Arbeitgeber sagen: Ich kann es noch tolerieren, wenn Ehrenamtliche Ihre Antipathien und Unstimmigkeiten öffentlich austragen, auch wenn das ebenfalls oft dem Ansehen des Verbandes schadet, die Angestellten des BJV aber, also die Geschäftsstelle einschließlich der Geschäftsführerin, sind hier tabu! Kritik muss nach meinem Verständnis hier im internen Kreis vorgebracht werden - und dazu ist, wenn schon das persönliche klärende Gespräch nicht gewünscht wird, der Landesvorstand das einzig richtige Gremium.

Die zahlreichen Gesprächsangebote der so Angeschriebenen unterschlägt er hier großzügig, unterstellt gar fehlende Bereitschaft zum klärenden Gespräch. Und zum Abschluß:

Nicht die Revolution von unten hilft uns - sondern die Evolution in gemeinamer Anstrengung aller Funktionsträger.

Nachfolgend also der besagte Beitrag, der den Ausführungen Dr. Stöckels folgend nicht ausreichend konstruktiv und infolgedessen der Veröffentlichung im Verbandsorgan nicht würdig war:


Solidarität im Verband

Ein schwieriges Thema mit zudem sehr unterschiedlich möglicher Auslegung. Ein Thema, das auch mit heftiger Kontroverse die Klausurtagung des BJV-Vorstands in Feldafing am Starnberger See geprägt hat. Illuster das Ambiente des Residence-Hotel mit Wellness-Bereich. Beeindruckend die kulinarische Verköstigung und der Mulitmedia-Apparat in Form eines Fernsehers, der mich im Zimmer sogar namentlich begrüßte. Nur die Duschvorrichtung meines Bades war etwas eigenwillig, änderte sie doch in unvorhergesehener Weise mitunter die Einstelltemperatur, was zu unverhofften Schritt- und Trittfolgen unter der Dusche führte.

Aber zurück zum Thema. Beleuchten wir den Begriff „Solidarität“ einmal ausgehend von seinem Wortstamm: Im Etymologischen Wörterbuch steht, dass Solidarität gegenseitige Hilfsbereitschaft und Verbundenheit bedeutet. Im Online-Wörterbuch der FR finden wir zudem den Hinweis, dass bei Solidarität nicht von einem “Kritikverbot“ die Rede ist. Fragt man gar das Wörterbuch der Soziologie kommt hier ein Gemeinschaftsbewusstsein zur Sprache. Aber, und das finden wir ebenfalls im gleichnamigen Werk, Solidarität ist auch ein Verhaltens- und Orientierungsprinzip, das je nach weltanschaulich-gesellschaftspolitischer Grundorientierung einen anderen Sinn erhält.

Die Solidaritätsfrage im BJV bezog und bezieht sich aktuell zum einen auf „ungebührliches Verhalten“ von Mitgliedern des Vorstands des Bezirksverbands München-Oberbayern, der größten Untereinheit des BJV mit 5.398 Mitgliedern, neben der Fachgruppe Freie mit 4.026 Mitgliedern, bei einer Gesamtmitgliederzahl von 8.718 Mitglieder (Stand 31.12.2003, Gesamtmitglieder des BJV 04/2004: 8.797). Zum anderen bezieht und bezog sich unangemessenes Verhalten von jeher schon auf Verhaltensweisen einzelner Mitglieder.

Kolleginnen und Kollegen, die sich den Vorwurf des „verbandsschädigenden Verhaltens“ schuldig machen oder ihre Mitgliedsbeiträge nicht bezahlen, werden aus dem Solidarverbund BJV entfernt. Ich will an dieser Stelle nicht in die Diskussion einsteigen, wer nun wie Recht hat, wer wen wie interpretiert und wer sich warum auf die Füße getreten gefühlt oder wer sich wo und wie daneben benommen hat. Ich ziele vielmehr auf die meines Erachtens grundsätzliche Frage, wie wir Solidarität in diesem Verband interpretieren wollen (neben eindeutigen Fällen wie beispielsweise der Nichtzahlung von Beiträgen) und vielleicht auch sollten, damit es zu einem konstruktiven und vor allem voranbringenden Miteinander kommen kann.

Worin wir uns, und das hat die Diskussion in Feldafing durchaus gezeigt, auf jeden Fall einig sind, ist die Tatsache, dass es uns um den Verband als solches geht, in dessen Dienst wir unsere ehrenamtliche und auch bezahlte Arbeit stellen wollen. Das ist die Perspektive der jeweils engagiert Tätigen. Dass wir uns gegenseitig mitunter ganz anders geartete Motivationen und Befindlichkeiten unterstellen, steht auf einem anderen Blatt. Von Profilierungssucht und Intrigen ist die Rede, von verbandsschädigendem Verhalten und mitgliederfremden Vorgehen, das nur dem eigenen Interesse dient. Meine Devise lautet in diesem Fall: Versuche zu hören, was dir der andere sagt, auch wenn du es nur schwer verstehst. Will heißen: Ich halte es durchaus für sinnvoll und notwendig, Positionen klar zu stellen und für diese auch einzutreten, was ich nicht als Rechtfertigung verstanden wissen will.

Im vorliegenden Fall erachte ich es aber für deutlich sinnvoller, darüber nachzudenken, was uns verbindet und nicht darüber zu lamentieren, was uns trennt. Einig sind wir uns auch dahingehend, dass wir den Verband voranbringen wollen. Jeder auf seine Weise. Nur, und dahingehend scheinen wir uns sehr uneinig zu sein, haben wir augenscheinlich ein sehr unterschiedliches Verständnis von Zeit und Ziel, wohin dieses Voranbringen uns führen soll. Der Bezirksverband München-Oberbayern steht mit seinem Vorsitzenden Walther Bruckschen für eine meines Erachtens durchaus zeitgemäße und moderne Form von Verbandsarbeit. Die aber – und das will ich keineswegs nivellieren – auch ihre Kritiker in den eigenen Reihen hat, auch in den Reihen der Vorstandsschaft des Bezirksverbands.

Das schmälert aber in meinen Augen nicht das Engagement. Weder dahingehend, dass Kollege Bruckschen vorantreibt, was er für sinnhaft hält, noch die damit immer wieder ausgelöste Kritik. Ich gehe sogar soweit, dass ich es für ein unabdingbares Element lebendiger Verbandsarbeit erachte, dass Unternehmungen ein gewisses Maß an Kritik und Diskussion auslösen. Das sollte sicherlich nicht immer so sein, um den Stesslevel auf ein erträgliches Maß zu reduzieren und schließlich wollen wir alle auch Anerkennung und Reputation. Gleiches gilt übrigens für meine Einschätzung der Arbeit, die unsere Geschäftführerin Frauke Ancker leistet, um die Figur hervorzugeben, die derzeit das Geschehen neben dem Kollegen Bruckschen am deutlichsten polarisiert. Jedoch beschleicht mich mitunter der Eindruck, dass das mit den Entscheidungsfragen und Verantwortlichkeiten in unseren Reihen nicht so recht geklärt ist und wir vielfach ernste Kommunikationsdefizite vorweisen. Und dass es leider auch von verschiedenen Seiten immer wieder die Vermischung persönlicher Differenzen und fachlicher Kritik gibt.

Sicherlich könnten wir nun Forschung betreiben, warum wer mit wem nicht reden mag und wieso das soweit gekommen ist. Sinnvoller erachte ich, und knüpfe dabei wieder an meinen Gedanken oben an, dass wir die bestehenden Strukturen nicht als Gott-gegeben hinnehmen, sondern uns ernsthaft Gedanken machen sollten, um was es uns gemeinschaftlich geht und wie wir das bewältigt bekommen. Die Anforderungen von außen sind exorbitant genug, um einem die Knie weich werden lassen zu können: nicht enden wollende Arbeitslosigkeit, ernsthafte Qualitäts- und Existenzfragen, die Branche auf dem Prüfstand. Unabhängig davon ist es aber sicher so, und das lehrt uns schon die Kommunikationsforschung, dass es immer mindestens zwei wichtige Ebenen bei jeder Form der Verständigung gibt: die Beziehungs- und die Inhaltsebene.

Ich habe meine ernsten Zweifel, ob wir unsere inhaltlichen Diskussionen geregelt bekommen, wenn wir bislang beständig an der Beziehungsebene scheitern. Ich vertrete zudem entschieden die Meinung, dass wir erst einmal in unseren inneren Analen aufräumen müssen, um zu wissen, was wir wollen und wie wir am effektivsten nach außen hin auftreten können. Aber Scheingefechte sind definitiv der falsche Weg und binden nur sinnlos Energie. Es muss nicht jeder mit jedem können und reden wollen. Ich bin aber sicher, dass es in allen Reihen immer mindestens einen oder eine gibt, mit der wir können, wo wir gehört werden und uns verstanden fühlen. Lassen Sie uns die Mühe machen, diese Person(en) zu suchen. Unabhängig davon sollten wir uns aber meines Erachtens einem Argument stellen: dem Zeitfaktor.

In so mancherlei Hinsicht regieren wir nur sehr schleppend und inadäquat sowohl auf interne wie externe Anforderungen. Und zwar unabhängig davon, ob wir persönlich nun der Meinung sind, dass eine solche Anforderung nun gerechtfertigt ist oder nicht. Darin liegt in meinen Augen die vordergründige Herausforderung für jeden von uns in der Verbandsarbeit, wiederum unabhängig davon ob ehrenamtlich oder bezahlt: Wir müssen uns auch Anliegen stellen, die wir persönlich nicht favorisieren oder möglicherweise sogar nicht gutheißen. Ob wir sie letztlich entsprechend in eine Handlung umsetzen, ist noch mal eine ganz andere Geschichte. Eine ernsthafte und aufrichtige Auseinandersetzung mit auch unbequemen Ansichten und vor allem verbunden mit einer entsprechenden Handlungsoption halte ich für unabdingbar.

Lassen Sie es mich auf den Punkt bringen: Es kann nicht sein, und das gilt für alle Beteiligte einschließlich meiner Person, dass wir nicht mehr über Dinge diskutieren, weil sie nicht in unser Konzept passen oder wir vermeintlicher Weise glauben, es besser zu wissen. Das ist das Aus für eine lebendige Auseinandersetzung in unseren Reihen, und ich spreche hier gezielt von „uns“! Auch, und das muss augenscheinlich immer wieder betont werden, schmälert eine kritische Betrachtungsweise nicht die respektvolle Anerkennung von Errungenschaften, die bereits geleistet wurden. Auf der anderen Seite sind wir hier natürlich – und auch das zeigte uns Feldafing sehr deutlich – an einem Punkt angelangt, der nicht über die Gebühr strapaziert werden sollte, um ein Miteinander nicht in ein Gegeneinander zu verkehren. Wir wollen alle gefragt werden, wenn wir Verbandsarbeit leisten und unsere für alle spärliche Freizeit in Verbandssitzungen und –gremien einbringen. Das darf nicht in gegenseitiger Beweihräucherung enden, aber auch nicht damit, dass wir uns nicht mehr wechselseitig anerkennen, dass wir ehrenhafte Ziele verfolgen, die nicht nur dem Eigennutz dienen. Das verstehe ich unter Vertrauensvorschuss und ich erachte diesen Punkt als einen solchen, an dem wir tagtäglich arbeiten müssen.

Lassen Sich mich damit schließen, dass ich sehr wohl den Eindruck in Feldafing gewonnen habe, dass es um unser Demokratieverständnis, so hart es auf dem Prüfstand stand, durchaus gut bestellt ist. Was wir gut können, ist eine Meinung vertreten. Was wir besser können dürften, ist einander zuzuhören. Ich vertrete die Ansicht, dass etwas stabiles und sinnhaft Neues durch die Synergien von Alt und Neu entsteht. Die Revolution von unten ist mitunter notwendig und sinnvoll, aber es bleibt auch vieles auf der Strecke. Momentan sind wir aber meines Erachtens noch nicht so weit. In diesem Sinne hoffe und baue ich auf fruchtbare Diskussionen und einen respektvollen Meinungsaustausch im Sinne unserer Mitglieder und unseres Verbands für die kommenden Zeiten.